Montag, 3. März 2014

Lamborghini Speedwell ist angekommen


Wieder einmal schwach geworden, als ein Rennrad mit Volltitanrahmen bei Ebay unter den Hammer gekommen ist. Hatte mir ein Limit gesetzt das scheinbar etwas über den derzeitigen Marktwert lag und somit die Auktion gewonnen.


Nachdem ich das gesamte Rad auseinander genommen hatte, alles geputzt, poliert , geschmiert und wieder zusammengesetzt, bin ich von dem Teil begeistert. Der Rahmen wurde 1977 produziert und ist mit den Speedwell Titalite Rahmen der damaligen Zeit identisch. Speedwell war der erste Hersteller der Titanrahmen im größeren Auflagen produzierte und vermarkte. Der Rahmen hat die #87709, was auf ein Produktionsdatum von August 1977 hindeutet.  Die Rahmen wurden von Hand gefertigt und die Verarbeitung ist außergewöhnlich,  wirkt wie aus einem Guss, keine Ecken oder Kanten stören das Gesamtbild. Selbst die Sattelstreben wurden abgerundet und verschmelzen förmlich mit dem Sattelrohr. Ein wahres Meisterwerk in das viel Handwerkskunst eingeflossen ist.  Die Gabel ist ebenfalls aus Volltitan, einem Guss und wirkt von den Gabelrohren her eher filigran. Diese Räder wurden nicht ohne Grund von Museen erstanden. Klare Linien, minimalistische Schönheit.


 Das Rad ist mit einer Dura-Ace Gruppe der späten 70er Jahre aufgebaut. Zu dieser Zeit war dies das beste was es auf dem Markt gab und der direkte Konkurrent zur  Super Record von Campagnolo. Die Verarbeitung der Anbauteile begeistert. Obwohl schon über 30 Jahre alt zeigen keine der Aluminiumteile Oxidations-spuren. Scheinbar wurde das Rad auch nur wenig bewegt. Alle Verschleißteile sind original und in sehr gutem Zustand. Die Bremsblöcke kaum abgenutzt, die orginal Dura-Ace Kette nicht geweitet, ebenso schaltet die gold-eloxierte 11-21 6-fach Dura-Ace EX Uniglide Kasette einwandfrei. Das Tretlager hat keinerlei Spiel die Schalen ohne Abnutzungsspuren. Vermutlich wurde das Rad keine 2000 km bewegt.
Erste Fahreindrücke:
Der Cinelli-Lenker ist mit weichem Rindsleder eingenäht und hat die optimal Weite für mich. Fasst sich griffig an. Die Dura-Ace Bremshebel sind etwas länger als z.B Mafac oder Union der 70er und benötigen bei weitem weniger Kraftaufwand zum Bremsen, können ebenso wie moderne Doppel-Pivot Bremsen mit einem Finger bedient werden. Der Abstand zum Erreichen der Bremshebel in Unterlenkerhaltung ist für meine Hände optimal. Auch in Oberlenkerhaltung lässt sich die Bremse leicht bedienen und eine genügende Bremskraft auswirken, um im Notfall anzuhalten. Dies kann man von anderen Bremskombinationen der damaligen Ära nicht unbedingt sagen. 
Der Geradeauslauf ist gut. Allerdings zeigt sich, dass der neu geklebten Schwalbe Lugano T, wie schon befürchtet, sich produktionsbedingt, nicht gut zentrieren ließ und vor allem im Ventilbereich einen stärkeren Höhenschlag aufweist. Dies führt dazu, dass sich das Rad beim Freihandfahren sehr instabil verhält, was durch die relativ weiche Titangabel noch unterstützt wird. Eine Testfahrt mit einem Zonda Vorderrad schwächte diesen Schaukeleffekt deutlich ab. Abhilfe würde sicher ein runder laufender Schlauchreifen schaffen. Leider werden gute Schlauchreifen im klassischen Look nicht mehr produziert und die auf dem Markt befindlichen von Schwalbe,Conti, Vittoria sind alle mindere Qualität von der Verarbeitung her, und die guten gibt es leider nur in schwarz oder farbig.
Mit den Händen am Lenker läuft das Rad stabil und spurtreu, mit einem Radstand von unter 100 cm allerdings niemals wie ein Randonneur, steuert sich eher sportlich  und agil. Auffällig, wie Bodenunebenheiten fast schon verschluckt werden. Eigentlich ist es Gewohnheit Gullideckeln auszuweichen, mit diesem Rahmen scheint das nicht notwendig zu sein. Schon der klassische Test im Stand die Vorderradbremse zu blockieren und sein ganzes Gewicht auf das Pedal in 3 Uhr Stellung zu bringen, zeigt die Flexibilität der Gabel an. Dieser Vorteil des sanft gefederten Ride auf unebenen Terrain, verliert sich allerdings sehr bald bei kurvigen schnellen Abfahrten. Es erfordert Mut vor einer Kurve spät zu bremsen, den ich leider nicht aufbringen konnte. Obwohl die Dura-Ace Bremsen kräftig verzögern und gut dosierbar sind, war es mir nicht möglich die Serpentinen meiner Hausabfahrt spät anzubremsen. Wahrscheinlich benötigt es etwas mehr Zeit sich an den Rahmen zu gewöhnen, um etwas flotter die Abfahrt zu meistern. Obwohl Luis Ocana einen solchen Rahmen bei der Tour 1973 für Bergzeitfahren und bergige Etappen benutzte und auch in diesem Jahr das Etappenrennen gewann, setzten sich Titanrahmen in den folgenden Jahren nicht im Peloton durch. Ein Grund ist sicher die hohe Flexibiltät der Gabel, die bei Abfahrten wohl jeden Profi erschauern ließ. Eine moderne Carbongabel könnte heutzutage sicherlich Abhilfe schaffen.
Im Gegensatz zu Abfahrten geht es aufwärts recht flott. Mit montierten Speedplay Stahlpedalen bringt es das Rad auf knapp unter 8 kg, was sich mit deutlichem Vorwärtsdrang, auch bei 7-8% igen Steigungen meines Hausberges, bemerkbar macht. Obwohl mit 11-21 nicht gerade eine Bergübersetzung montiert, ließ sich der ca. 2 km lange Anstieg flott überwinden. Zur Winterzeit eher die 12 kg meines Trainingsrennrads gewohnt, fühlte sich das schon nach Carbonrenner und Sommerzeit an. Der größte Teil der Strecke wurde im Wiegetritt gefahren, wobei sich der Rahmen, ganz im Gegenteil zur Abfahrt, als im Tretlager stabil und mit gutem Vortrieb anfühlte. Grund dafür  könnten auch die mit 32 Speichen sehr seitenstabilen, original Laufräder sein, die im Wiegetritt niemals das Gefühl vermittelten, dass die Vortriebskraft in der Verwindung der Räder verschwindet. 
Fazit : Aufwärts topp - Abwärts flopp. Leicht, agil, die Dura-Ace EX Komponenten mechanisch ein Traum, wie auch das Erscheinungsbild des Rads insgesamt. Ein echter Eyecatcher. Carbon, Titanlegierung fährt ja jeder. Reines Titan -der Ride auf Wolke sieben!
Alles in allem bin ich begeistert Besitzer eines solchen Rennrads zu sein, das ein Teil der Historie der technischen Entwicklung darstellt. Und wenn die Sonne scheint, wird es mir immer mal wieder ein Genuss sein, dieses außergewöhnliche Teil zu bewegen.